Es ist wirklich himmlisch, auszugehen, sich auf einen innovativen DJ freuen (in diesem Falle Herr Koze), und in bester Gesellschaft die Arme und Hüften schlenkern, respektive kreisen zu lassen, mit den Füssen auf den schmutzigen Boden zu stampfen und die Mundwinkel so nach hinten zu ziehen, dass man alle Zähne sieht (auch bekannt als Lächeln). Theoretisch ja ganz einfach. In der Praxis kann es jedoch passieren, dass man beim Start jeder kleinsten Bewegung an deren Ausführung gehindert wird, weil gewisse Menschen offensichtlich die Definition „Tanzfläche“ partout nicht verstehen wollen. Das ist eine Fläche, worauf man tanzt. So einfach ist das. Wenn man das aus irgendwelchen Gründen nicht tun kann oder will, darf man sich auf eine der Sitzflächen begeben, oder sich in den äusseren Bereich stellen.
Eine kleine Typologie soll ein wenig Abhilfe schaffen, um eventuell den einen oder anderen Fallen aus dem Weg gehen zu können.
Die Tanzjungfrauen
Der gerechtere Ausdruck wäre wohl eher Jungmänner, sind die Frauen doch, Hand aufs Herz, in allen sozialen- und Altersschichten eher mit dem Tanz-Gen ausgestattet. Bezeichnend für diese Gattung Männchen sind die Hosen in den Kniekehlen (was schon ziemlich behindernd ist, rein tänzerisch betrachtet) und der leicht nervöse Blick, (O-Ton: wir sind zum ersten Mal an einer Minimal-Party!). Man rottet sich unter Seinesgleichen zusammen, und frönt dem Verlegenheits-Jointchen-Drehen. Die Konsumation dieser Tütchen wirkt sich leider sehr negativ auf dem Bewegungsapparat aus. Zu einer Wand zusammengeschlossen, scheinen sie sich mit herausgestellten Ellenbogen gegenseitig zu beschützen, wahrscheinlich vor all den furchteinflössenden Ausserirdischen, die sich an diesem neuartigen Ort befinden.
Die Schwanker
Allgemein bekannt: Alkohol macht locker und lässt einen leichter auf die Tanzfläche hüpfen. Diese Mitmenschen haben diese These allerdings ein wenig falsch verstanden und mischen das Kaltgetränk munter mit Cannabis und anderen schlimmen Mittelchen, über welche man nun besser allwissend schweigt. Derart übermotivierte Enthemmungsversuche können das körperliche (und auch seelische ) Gleichgewicht erheblich beeinträchtigen und zu unvorhersehbaren Schwankanfällen führen, mit dem klitzekleinen Nachteil dass diese Kandidaten solche nicht wahrnehmen, da sie durch den Mischkonsum sämtliche Emphatiefähigkeiten im Keime erstickt haben.
Die Grenzen-Austester
Dies ist die Erweiterung der oben genannten Spezies und dank eines mir liebsten Menschen haben sie auch einen passenden Namen. Man mutmasst, dass die zu kurze Gewöhnungsphase an die vielen Rauschmittel, die eine Nacht in Zürich so bietet, vor allem ganz junge Leute (meist Männer, so leid es mir tut) dazu verführt, sich wieder in ihre Säuglingsphase hineinzuversetzen und sich an alles, was weich und warm ist, ankuscheln, und dies an verschiedenste Orten und Personen. Ein Ende kann man dem meist nur mit einer anständigen Ohrfeige setzen.
Die konzentriert meditierenden
Sie meinen es gut, denn sie lieben die Musik. Ihr Alter ist im Gegensatz zu den Schwankern eher fortgeschritten, man geht nur noch in Clubs und ähnliche Lokalitäten, um Musik zu HÖREN. Trotzem muss man daran erinnern, dass die bekannte Fläche nun mal Tanzfläche genannt wurde, weil sie auch keine Hörfläche ist, es sei denn, man kombiniert es mit tänzerischen Bewegungen. Dass die Meditierenden auch noch die besten Plätze vor dem Dj und bei den guten Boxen für sich beanspruchen und mit halbgeschlossenen Augen den unendlichen Klängen lauschen, ist zwar logisch, aber trotzdem mühsam.
Die Bewegungsegoisten
Diese (meist weiblichen) Zeitgenossen tun das, was andere vermissen lassen. Sie tanzen. Das tun sie kunstvoll, ausgeklügelt, mit konzentriert-lässigem Gesichtsausdruck (man könnte ja jemandem positiv ins Auge springen, metaphorisch gesprochen), aber mit enormem Umschwung, sie sind sozusagen die Villen unter den Tanzhäusern, mit illegalem Gartenanbau (nein, versucht nicht, diesen eigenartigen Gedanken zu folgen). Lange Rede, kurzer Sinn: Sie tun alles für ihren Platz, zerquetschen Zehen, bohren spitzige Knochen in Rippen von Anderen, kitzeln armen Männern mit ihren fulminant gestylten Pferdeschwänzen die Nase (oder notfalls auch das ganze Gesicht) und sind kaum zu übersehen. Das wäre ja, sind wir doch tolerant, alles noch ganz okay, würden sie das Wort „Entschuldigung“ nicht bloss vom Hörensagen kennen.
Man kann diesen Erscheinungen entgegenwirken, indem sich jeder wieder einmal Zeit nimmt, sich auf das Wesentliche des Ausgehens zu besinnen, darauf, was eigentlich gesucht wird, wenn man sich in die dunklen Keller begibt. Es gibt nebst des Auslöschens der eigenen Lichtern und des Abschleppens von potenziellen Vergnügungspartnern auch noch einen anderen Weg der seelischen Befreiung: Das gute, alte Tanzen, so alt wie die Menschheit. Also Hände rauf und Lächeln drauf, auf das Gesichtchen.
AMEN.
Geehrtes mariechen
Ich muss an dieser Stelle ausrufen: Hach wie schön! Das mariechen beehrt uns nun endlich mit Ihren wunderbar treffenden Textchen zum Nacht- und sonstigen Leben und tut dies nicht mehr nur heimlich in verstohlenen Textchen die per elektronischer Post an Auserwählte weiter geschickt werden sondern lässt uns alle sich daran laben. Herrlich, köstlich, süffig und entspannt. Merci Mademoiselle!
Auf den Text bezogen freue ich mich noch mehr auf unseren Ausflug in den hohen Norden im folgenden Sommer – Sie werden sich köstlichst amüsieren in Ihrer Position als Beobachterin der tanzologischen Ausdrucksweise unserer Spezies. Die Allemannische Form der Bewegung lässt doch auch einige Wünsche übrig und entspricht nicht immer der idealen ästhetischen Erfahrung. Was Sie uns aber dicke voraus haben, ist die von Ihnen genannte Fähigkeit des „Hände in die Luft oben einsetzen“, was sämtliche Defizite per sofort aufhebt.
Ich durfte inzwischen alle beschriebenen Phasen durchleben (Evolution des Heiritanzes) und habe herausgefunden, das einfach freuen, Hände rauf, alle breitestens angrinsen, ein paar Grenzenaustester in die Arme nehmen, Polytoxler abwechselnd verwirren und betreuen, Tanzjungfrauen anfeuern und Bewegungsegoisten in Grund und Boden tanzen nicht nur Spass macht sondern meditative Arbeit gleich vorweg nimmt und somit richtig glücklich und zufrieden macht!
Also – Hände hoch und ab dafür!
Liebste Grüsse
Heiri Zürigschnätzlets
Guten Morgen Herr Heiri.
Das weckt ja alte Erinnerungen, endlich mal wieder ihre ebenso erfreulichen Kommentare zu erhalten. Vielen Dank für die Blumen!
Sie haben natürlich Recht, dass man mit fröhlicher Konfrontation den eher tanzunfreudigen Gesellen am besten entgegenkommen kann, um eventuell sogar noch gemeinsam eine Choreographie auf die Beine zu stellen.
An der Stelle muss auch noch eingeräumt werden, dass wir Mittel-/Nordeuropäer ja im Allgemeinen nicht eben intensiv mit dem Tanzgen ausgestattet sind und da gehört leider auch meine Wenigkeit dazu. Es liegt wohl auch an den engen Räumen, kombiniert der Tanzunfreudigkeit gewisser Leute, dass es einem so auffällt.
Sie sind mit ihrer Vorfreude auf den Sommer im Norden Deutschlands nicht alleine, ich denke, da werde ich noch die eine oder andere Technik aufspüren, wenn ich nicht allzufest mit dem Hände-oben-in-die-Luft -einsetzen beschäftigt bin, denn schliesslich haben wir dort alle sehr viel Platz zur persönlichen Entfaltung zur Verfügung.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen erfolgreichen Tag.
Und bis bald, hoffe ich. 🙂
Herzlichst, Ihr Mariechen.