Krafttraining als Hobby – es ist möglich

Freizeitbeschäftigungen sind so individuell wie die Menschen: Vom leidenschaftliche Leser, Gärtner über den Extrem-Filmegucker bis zum Barbie-Sammler ist alles dabei. Und das ist auch gut so. Doch wird nicht leistungsorientierter Sport und im Speziellen Krafttraining oft nicht als ernst zu nehmendes Hobby betrachtet. Fälschlicherweise.

 

«Was, du trainierst viermal die Woche im Fitnesscenter? Wie hast du denn noch Zeit für Hobbies?» wurde ich schon grossäugig gefragt. Oder: «Kompensierst du etwas damit? Hast du überhaupt ein Leben?» und gerne auch: «Findest du das nicht langsam etwas extrem?». Lustigerweise fallen solche Sätze eher selten, wenn jemand sagt, er sammle Kunstobjekte aus der frühdadaistischen Szene oder wälze Thomas Mann, bis der Arzt kommt. Es scheint auch selbstverständlich, dass jemand an Sport-Wettkämpfen teilnimmt oder in einer Fussballmannschaft mitspielt. Doch wenn jemand einfach für sich joggen geht oder regelmässig das Fitnessstudio frequentiert, weil es ihm Freude macht, dann hört anscheinend der Spass auf. Zumindest für die anderen. Doch warum ist das so?

Sport wird gerne mit Mord in Verbindung gebracht
Irgendwo scheint sich bei vielen die Auffassung eingeschlichen zu haben, dass Fitnesstraining eine absolute Qual und ein notwendiges Übel sei. Man betrachtet Sport als eine Bürde, die zwischen einem selbst und seinen «richtigen» Hobbies steht. Es ist Mittel zum Zweck und macht den Weg frei zum mehrwöchentlichen Schlemmen im Lieblingslokal. Dass es auch Spass machen kann, ins Fitness zu gehen, unvorstellbar!
Als begeisterte Hantelstemmerin und Ernährungswissenschafts-Fan findet man sich also immer wieder einmal in einer unangenehmen Rechtfertigungsrolle und hat fast den Eindruck, sich dafür schämen zu müssen, ganz offenbar kein richtiges Hobby zu haben. Und offensichtlich ein ganz schlimmes Ego-Defizit auszugleichen hat.

Was macht denn ein richtiges Hobby aus? Es sind sich wohl alle einig darüber, dass man ein Hobby freiwillig anderen Tätigkeiten vorzieht, weil es einen mit Freude und Befriedigung erfüllt. Man ist zudem intrinsisch motiviert, sich weiter über die Thematik zu informieren, mit dem Ziel, richtig gut in dem zu werden, was man gerne macht. Ein Hobby soll zudem auf irgend eine Weise zielorientiert sein, dass man beispielsweise irgendwas gewinnen kann oder man sonst etwas aussergewöhnliches erreicht. Ausserdem soll die liebste Freizeitbeschäftigung Energie spenden fürs sonstige Leben, eine gewisse Perspektive schaffen und körperlich oder seelisch gut tun. Nun gut. Warum sollte das nun Krafttraining nicht können?

Ein kleine subjektive Ausschweifung
Wenn ich den Kraftbereich im Studio betrete –  Lieblings-Musik dröhnt aus meinen Kopfhörern – beim Griff an die Hantel den Metallgeruch einatme und spüre, wie meine Muskeln Arbeit verrichten müssen, um das Gewicht von A nach B zu bewegen, dann erfüllt mich das mit Faszination. Faszination darüber, was ein Körper alles so leisten kann. Jedes Mal etwas mehr Gewicht bewegen zu können, zu sehen, wie ich Fortschritte mache, zu erfahren, wie ich meine eigenen Erwartungen übertreffe, gibt mir ein Gefühl der Befriedigung. Die Ziele setze ich mir zwar selbst und einen Preis erhalte ich dafür nicht (also irgendwie schon, einfach nur in meinem Kopf, bei tosendem Publikum, natürlich), aber deswegen haben diese Ziele nicht weniger Berechtigung als offiziell gesetzte. Die Belohnung ist mein Körpergefühl. Die Muskeln geben mir einen aufrechten Gang. Sie verringern meine Rückenprobleme. Mein Körper fühlt sich stark und gut. Mein Schlaf ist heute um Welten besser. Und ja, der Körper fühlt sich sexier an. Verklagt mich. Der Fakt, dass Krafttraining (Wenn vernünftig ausgeführt!) nachweislich die Knochendichte verbessert und somit vielen Altersbedingten Krankheiten vorbeugt, nehme ich als zusätzliches Zückerchen nur zu gerne entgegen. Nicht zuletzt tue ich im Fitnessstudio einfach mal etwas für mich, bin konzentriert und fokussiert.

Sozial und auch ein bisschen intellektuell

Wer jetzt rausschreit, dass das alles sehr egozentrisch und oberflächlich: Ja, Krafttraining mag auf den ersten Blick selbstzentriert und oberflächlich wirken (wer meinen Simi-Lifts-Instagram-Account kennt, muss auch mal das eine oder andere Selfie über sich ergehen lassen). Doch das macht nur ein kleiner Teil dieser Freizeitbeschäftigung aus. Personen, die sich eingehend mit dem Thema Krafttraining und Ernährung beschäftigen, investieren sehr viel Zeit in Recherche und das Wälzen diverser Lektüre. Man besucht Communities, in denen man sich mit Gleichgesinnten zum Thema austauschen und einander motivieren kann. Wer die komplexen körperlichen Auswirkungen von Sport und Ernährung wirklich verstehen will, paukt ausserdem ganz freiwillig und quasi im Vorbeigehen einige Lektionen in Chemie und Physik. Wer wirklich erfolgreich seine sportlichen Ziele erreichen möchte, muss sich mit der Materie ausgiebig beschäftigen und stets offen sein für Neues. Da darf man doch zwischendurch seine Erfolge mit einem kleinen Insta-Ego-Kick feiern!

Natürlich ist es nicht jedermanns Sache, viermal in der Woche Hanteln gegen die Schwerkraft zu bewegen. Muss es auch nicht sein. Es sammelt auch nicht jeder Barbies aus der Nachkriegszeit. Oder Kaffeekapseln. Oder rutschen bei Eiseskälte durch den Schnee oder fahren Eisenbahn im Keller. Hauptsache, es macht denjenigen glücklich und irgendwie zu einem besseren Menschen.